eine Anleitung für Laien-Eltern
(oder: „warum ich meiner besten Freundin für ihre Kinder mein E-Piano geliehen habe…“)
wenn meine beste Freundin etwas kauft, dann tut sie das NIEMALS unüberlegt.
dann hat sie wochen- und monatelang vorher recherchiert. dann hat sie ausprobiert, sich Exemplare zuschicken lassen, Exemplare zurückgeschickt. dann hat sie gerechnet, was sich wirklich lohnt, und abgewägt, wie dieses oder jenes Extra abschneidet im Verhältnis zwischen vergrößerter Lebensqualität und Preis.
gewöhnlich wird es dann auch nicht billig.
ich habe von ihr gelernt, wie man das macht, schon als 10-jährige, als wir mehrere Stunden lang vom einen Ende der Innenstadt zum anderen und wieder zurück gelaufen sind, um Regenschirme zu vergleichen, die sich nicht in Muster und Farbe, wohl aber im Design des Griffes unterschieden haben. und ich habe gelernt, dass ich das, was sie für sich ausgesucht hat, ohne weiteres Nachdenken oder gar Nachforschen, auch kaufen kann, zack-zack, die Zeit des monatelangen Grübelns gespart!
also wurde es Zeit, dass sie auch einmal etwas von mir lernen sollte…
sie war gerade dabei, den Wir-müssen-eine-größere-Anschaffung-machen-Prozess anlaufen zu lassen und teilte mir das beiläufig mit: „Jan (7 Jahre) soll Klavierspielen lernen. wir wissen ja nicht, ob er dabei bleibt. nun denken wir, wir sollten ihm vielleicht besser erst einmal ein Digitalpiano kaufen, bevor wir in ein richtiges Klavier investieren!“
zum ersten Mal im Leben sehe ich sie in die Irre gehen.
da mein Roland E-Piano sowieso nur noch herumsteht, seit ich wieder in Deutschland wohne und meinen Flügel wiederhabe, biete ich ihr kurzerhand an, ihr das Teil auf unbestimmte Zeit auszuleihen, nur damit sie NICHT in eines investiert. eine Woche später (pünktlich zu Weihnachten) ist es schon bei ihr und seitdem wird es endlich wieder verwendet.
und warum bin ich so dagegen, für den Anfang des Klavierunterrichts ein E-Piano zu kaufen?
1. ein gutes Digitalpiano, das auch nur ansatzweise eine annähernde „Klavier-Erfahrung“ bietet, kostet auch schon (mindestens) 2000 Euro.
ich persönlich finde, die Firma Roland stellt die klaviergetreusten Digitalpianos her, aber sie werden erst ab ca. 2000 Euro richtig gut und die Preisgrenze nach oben hin ist noch lange nicht erreicht. ein Beispiel findet ihr hier. dasselbe gilt für Yamaha und Kawai: erst die teuren fangen an, einem Klavier zu ähneln. Korg: mag ich überhaupt nicht, da der Klang und die Reaktionsweise sich zwar für gut Popmusik eignen, aber für Klassik unbrauchbar sind.
für diese Preise bekommst du mit etwas Glück (ansonsten halt für 500 Euro mehr) bereits ein gebrauchtes Yamaha U3 (=echtes und gutes Klavier!) , welches den elektronischen haushoch überlegen ist.
2. inwiefern „haushoch überlegen“?
erstens: in der Sensibilität. zweitens: im Klang. drittens: in der Spielfreude.
diese drei hängen natürlich zusammen. Sensibilität heißt, dass das Klavier reagiert, wenn man den Anschlag auch nur leicht verändert. das hört man dann sofort am Klang. (dieser ist übrigens auch unabhängig vom Anschlag immer um Welten natürlicher, tragender, voller und facettenreicher als der eines elektronischen Instruments.) und diese Reaktionsfreudigkeit des Klaviers führt zu mehr Spaß am Spielen.
stell dir vor, du streichelst deinen Partner. du veränderst kleine Nuancen und der Partner reagiert. oder: du veränderst etwas und er reagiert eben NICHT oder KAUM. was macht dir mehr Spaß? genau so ist es mit einem Klavier! 🙂
3. mit einem E-Piano lernt dein Kind nicht das Klavierspielen…
…sondern es lernt das E-Piano-Spielen!
es lernt sich eben auf die Reaktionsweisen eines Digitalpianos einzustellen. dadurch geht sehr viel an spezifischem Klavier-Repertoire verloren, weil es auf einem E-Piano keinen oder nicht genug Effekt bringen würde. ich kenne etwas Ähnliches traurigerweise aus eigener Erfahrung: meine langjährige Klavierlehrerin hatte nämlich eigentlich Orgel studiert! nun lernte ich bei ihr sicher sehr viel Orgeltechnik (die anscheinend vor allem aus möglichst flinkem Fingerspiel besteht – ich wiederum vermute das aber nur, denn von Orgel habe ich keine Ahnung), aber Klavier lernte ich erst an der Uni! dort hatte ich eine Lehrerin, die nur mit dem Anschlag einer einzigen Taste den Raum verzaubern konnte. damit war sie vom ersten Tag an mein Idol und ich fraß ihr sozusagen aus der Hand.
4. Einschränkung: lieber ein E-Piano als ein Klavier der schlimmsten Sorte,
und diese Sorte nenne ich „Traktor“. ein Traktorklavier ist schwergängig. man kann auf ihm keine Tonwiederholungen spielen, das heißt, wenn man mit dem Finger der Taste auf und ab folgt, ohne den Finger von der Taste zu heben, und dabei versucht, ganz schnell und nicht zu laut denselben Ton immer wieder zu wiederholen, dann funktioniert das auf einem Traktorklavier nicht. ein Traktorklavier reagiert auch nicht auf feine Nuancen. oder jede Taste macht, was sie will, das G klingt laut und blechern, das F stumpf und leiser (und das E bleibt wahrscheinlich hängen).
Achtung: Schimmel-Klaviere sind oft Traktoren. von Yamaha ist mir dagegen noch kein einziger begegnet. auch Kawai-Klaviere sind in der Regel leichtgängig und sensitiv.
deshalb auf alle Fälle: lieber ein geschenktes E-Piano (diese sind immer leichtgängig und in sich stimmig, das ist ihr größtes Plus) als ein geschenktes Traktor-Klavier!
in diesem Sinne: viel Spaß beim Klavierlernen!
eure Tigermama
Danke für die musikalische Begeisterung! Talent für Musik hatte meine Tochter nie, aber mit der Zeit erwachte ihre Liebe an Musik, vielleicht wegen der Kinder, mit denen sie arbeitet. Ein Musikunterricht bei uns in der Nähe wäre eine tolle Idee für sie, denn sie singt Lieder, lernt solche mit den Kindern, was ihren Unterricht interessanter und lebensnah macht:) Ein natürliches Klavier könnte dann die Kinder inspirieren und neue Gefühle erleben lassen! Danke für Tipps!
Das ist wirklich ein sehr guter Kompromiss. Erst einmal ein Keyboard für den kleinen zum lernen. Denn so eine richtiges Klavier/ Flügel ist schon eine größere Investition.
So ein Piano ist schon wirklich etwas tollen. Ich hatte mal eine Freundin die das Spielen konnte. Als sie mir gezeigt hat wie gut sie das noch spielen konnte war es wirklich wunderschön und ich habe mich gleich dreimal mehr in die Verliebt. Deswegen habe ich größten Respekt vor denen die so ein Instrument spielen können.