Am Donnerstagnachmittag erreichte uns im offiziellen elektronischen Postfachs des Kultusministeriums die Nachricht, wir sollten uns aufgrund des Coronavirus auf die Möglichkeit bayernweiter Schulschließungen ab der kommenden Woche vorbereiten und darüber nachdenken, über welche Kanäle wir den Schülern Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen können. Genaueres werde am Freitagvormittag bekannt gegeben.
Da die Erfahrung gezeigt hat, dass diese Nachrichten am Vortag in der Regel bereits den Entschluss vom nächsten Tag vorwegnehmen, waren wir froh, dass wir zufällig zwei Tage vorher bereits den Schulmanager Online für die Schule bestellt und angepasst hatten, um zukünftig Elternbriefe online verschicken zu können. Es gibt dort aber auch einen Dateimanager, wo Ordner und Dokumente erstellt sowie Dateien hochgeladen werden können.
Nun mussten wir nun nur noch im Eiltempo am nächsten Morgen die Anmeldedaten für jeden Schüler ausdrucken und austeilen. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden hatten sich von 200 Schülern bereits 122 angemeldet. Die Schulleitung hat Ordner für jede Klasse erstellt, wo die Lehrer in den nächsten drei Wochen bis zu den Osterferien Arbeitsaufträge und Arbeitsblätter einstellen werden.
Mein Sohn („der Große“) geht mittlerweile in die 6. Klasse eines Gymnasiums. Dort hat jeder Schüler einen MEBIS-Zugang, der bisher überhaupt nicht genutzt wurde. Heute zeigt er mir ganz begeistert, dass für manche Fächer bereits eigene Bereiche angelegt worden sind – allerdings bisher nur als Architektur mit leeren Austauschforen und Aufgabenlinks ohne Inhalt. Normalerweise ist der Große nicht begeistert von Schule und Hausaufgaben. Seine Enttäuschung über den Mangel an Aufgaben könnte darauf hindeuten, dass er nach seiner Mama gerät und das Online-Lernen toll findet.
So unangenehm der Anlass für diese Veränderungen ist, wurde mir dennoch in den letzten 24 Stunden klar, welche Chance er für die Einführung von digitalen Strukturen an Schulen bietet. Unter anderen Umständen hätte es bestimmt mehr Überzeugungsarbeit gekostet, die Eltern (und vielleicht erst recht die Lehrer!) dazu zu bringen, sich beim Schulmanager anzumelden. Und am Gymnasium meines Sohnes hätte MEBIS noch weitere Jahre von den Schülern unbenutzt vor sich hin geschlummert. Von einem „Dornröschenschlaf“ zu sprechen, wäre zwar bildlich und faktisch übertrieben, aber die Möglichkeiten, die jetzt plötzlich „aufgeweckt“ werden, gibt es schon viele Jahre lang und die „Dornenhecke“ bestand zum einen aus den Berührungsängsten der Lehrer und Eltern, zum anderen auch aus der fehlenden Dringlichkeit und dem mangelnden wahrgenommenen Nutzen.
Da mich die Medienpädagogik persönlich interessiert und mich ihre Möglichkeiten auch faszinieren, habe ich in letzter Zeit an verschiedenen Fortbildungen zu diesem Thema teilgenommen und war auf den plötzlichen Umbruch daher gut vorbereitet. Wenn ihr auch mehr darüber lernen möchtet, empfehle ich euch wärmstens, medienpädagogische Seminare zu besuchen, denn
- sie zeigen die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien für Schule und Unterricht auf
- sie sensibilisieren für Chancen, aber auch Probleme der Medienerziehung
- sie vermitteln praktische Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien
Die Einarbeitung in die verschiedenen Software-Umgebungen erfordert natürlich erst einmal etwas Zeit und Mühe, sie erleichtern aber auf mittelfristige und lange Sicht die Arbeit erheblich und können den Unterricht in inhaltlicher, methodischer und motivationaler Hinsicht verbessern.
Aus diesem Bewusstsein heraus ist der Werte- und Normbereich solcher Seminare in der Regel ein medienbejahender, wenn auch nicht unkritischer. Digitales Lernen wird als überwiegend positiv und förderlich für Kreativität, Motivation, Wissenszuwachs und selbstbestimmtes Lernen angesehen.
Ich teile diese Ansicht und habe hier auch schon einige Vorerfahrungen mitzubringen. Dabei macht es mir aber immer wieder Spaß, neue Aspekte zu lernen – vor allem auch in theoretischer Hinsicht, wenn es um eher „philosophische Überlegungen“ geht. Deswegen wäre mein Plädoyer an alle Organisatoren medienpädagogischer Seminare, auch folgende und ähnliche Aspekte zu berücksichtigten:
- Wie verändert sich unsere Gesellschaft (in Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter) durch die digitalen Medien und welche Verantwortung und Möglichkeiten haben wir als Lehrer?
- Was bedeutet Medienerziehung im Sinne von Demokratieerziehung?
- Wir erfinden und programmieren als Menschen Maschinen, aber inwieweit beeinflusst eine Maschine mit ihrer Funktionsweise („Denkweise“) auch den Menschen kurz-, mittel- und langfristig?
Nun wünsche ich uns in Bayern aber erst einmal einen guten Start ins eLearning und allen, auch den Nichtbayern, eine gute Gesundheit!
Eure digitale Tigermama