Social Media im Unterricht: Wenn Schüler ihr Lernen mit anderen teilen

16:01

Der erste Teil der Überschrift dürfte bewirken, dass sich einem Großteil der Lehrer unter meinen Lesern die Nackenhaare aufstellen. Ich hoffe, dem im zweiten Teil bereits – wenigstens ein bisschen – entgegengewirkt und den einen oder anderen neugierig gemacht zu haben.

Ein weiterer Prozentsatz wird sich fragen, warum schon wieder Anglizismen auftauchen müssen, wenn wir uns mit digitalen Entwicklungen beschäftigen: Warum nicht einfach von den „sozialen Medien“ sprechen? Der Grund ist, dass es zur Abgrenzung zwischen dem ursprünglichen englischen Begriff und seiner vermeintlich wörtlichen Übersetzung Diskussionen gibt, die sich nicht ganz von der Hand weisen lassen.

Durch die Nutzung von Social Media [der Gesamtheit der digitalen Technologien und Medien wie Weblogs, Wikis, soziale Netzwerke u. Ä., über die Nutzerinnen und Nutzer miteinander kommunizieren und Inhalte austauschen können (Duden)], entsteht das Web 2.0 [durch die Mitwirkung der Benutzer[innen] geprägte Internetangebote (Duden)].

In diesem Artikel möchte ich Wege erkunden, auf denen das Web 2.0 Schüler anregen kann, Lernen für- und voneinander anzuregen und zu gestalten.

Wichtigstes Merkmal des Web 2.0 ist, dass der Nutzer die dargebotenen Inhalte nicht mehr nur konsumiert, sondern auch produziert. Damit wird er zum „Prosumenten“ (im Zusammenhang mit dem Web 2.0 gebräuchliche Wortneuschöpfung aus „Konsument“ und „Produzent“).

Es geht also hier nicht darum, Facebook, Twitter oder WhatsApp in den Unterricht einzubinden, sondern um die Herausforderung, Webinhalte selbst zu schaffen und dabei auf vielfältige Weise zu lernen. Hierzu eignen sich insbesondere:

  • Podcasts: Hör- oder Videodateien, die von den Schülern aufgenommen und ins Internet gestellt wurden und dort gefunden und heruntergeladen werden können
  • Wikis: Internetseiten, auf denen die Schüler kollektiv Informationen zu einem Thema gesammelt haben
  • und Weblogs oder auch „Blogs“: Seiten wie diese, auf denen die Schüler Artikel verfassen. Hier können auch Podcasts oder Wikis eingebunden werden.

(Das fertige Produkt darf dann natürlich gern über die zuerst genannten Kanäle geteilt werden, damit auch andere davon lernen können!)

Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben:

Eine produktive Nutzung digitaler Medien hat sich bisher in meiner Unterrichtspraxis weitgehend darauf beschränkt, dass die Schüler im Englischunterricht der 3. Klasse mit iPads Portfolios angelegt haben, in denen sie nicht nur mit geschriebenem Wort, sondern auch Tonaufnahmen und Bildern ihren Lernfortschritt dokumentieren. Für das kommende Schulprojekt jedoch habe ich mir vorgenommen, ein gemeinsames Weblog anzulegen. Das stelle ich mir folgendermaßen vor:

Der Namensgeber unserer Schule war ein ortsansässiger Missionar und Befreiungstheologe, der bei Indianern im Regenwald gelebt hat, aber im Zuge einer Landvermessung zusammen mit dem Indianerhäuptling vom Anführer der Großgrundbesitzer erschossen wurde.

Als Vorbereitung auf das diesjährige Schulfest, das unseren Namensgeber als Thema hat, möchte ich mit meiner 3. Klasse auf dem Blog Informationen zu seiner Geschichte sammeln und beim Schulfest im Klassenzimmer über den Beamer sowie auf iPads präsentieren.

Es ergeben sich unterschiedliche Themenschwerpunkte:

  1. Der Missionar (Was sind Missionare und warum gehen sie in fremde Länder? Was glaubte „unser“ Missionar? Bewirken Missionare nur Positives oder auch Negatives?)
  2. Seine Tätigkeit und sein Verhältnis zu den Indianern (Was hat er dort getan? Wurde er gemocht und warum? )
  3. Die Indianer (Wie lebten sie? Welche Geschichte hatten sie? Welche Bedrohungen erlebten sie?)
  4. Die Großgrundbesitzer (Was waren ihre Interessen? Wie haben sie sie verwirklicht? Wie haben sie sich weiterentwickelt?)
  5. Der Regenwald (Nutzen und Funktion, Gefahren der Abholzung, Schutz)

Diese Themenbereiche sollten idealerweise in einer Einführungsstunde, die sich mit den wichtigsten Informationen zum Namensgeber beschäftigt, selbst von den Kindern identifiziert werden. Anschließend gewichten sie ihr individuelles Interesse an den einzelnen Themen (durch Anbringen von Klebepunkten). Gemeinsam wird ein Blogtitel festgelegt. Daraufhin lege ich als Administrator den Blog mit Titel und den einzelnen Unterthemen an.

Nun bekommt jedes Kind einen Zugang als Autor zum Blog. Gemeinsam loggen wir uns zum ersten Mal ein und ich zeige, wie man einen Artikel schreibt. Danach erhalten die Kinder die Anleitung zusammengefasst zum Nachlesen auf einem Blatt.

In den folgenden Stunden recherchieren die Schüler interessengeleitet auf ihren iPads im Internet zu den Themen und fassen ihre Ergebnisse in kleinen Artikeln zusammen. Sie dürfen hierzu Gruppen bilden oder auch alleine arbeiten. Die Artikel werden zunächst von den Kindern (evtl. auch den Eltern zu Hause) und abschließend von mir redigiert.

Die fertigen Artikel können problemlos auch ausgedruckt und auf Plakaten arrangiert werden, um beim Schulfest einerseits Besucher anzuwerben und andererseits auch technikferne Menschen über den Lernprozess und die Ergebnisse zu informieren. Die eigentliche Präsentation erfolgt jedoch durch die Kinder im Klassenzimmer auf den iPads sowie durch mich vom Lehrer-PC aus über den Beamer. Zusätzlich werden kleine Infozettel mit der Internetadresse des Blogs verteilt, damit Interessierte selbst zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal nachlesen können.

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich?

Chancen:

  • Die Schüler lernen in ihrem eigenen Tempo und ihren eigenen Interessen gemäß in einer „kreativen, konstruktiven und kollaborativen Lernumgebung“ (vgl. Süss/Lampert/Wijnen 2010: Handbuch Medienpädagogik, S. 164).
  • Die individuellen Ergebnisse können auf einer gemeinsamen Plattform gesammelt werden – dies kann sogar gleichzeitig geschehen.
  • Mitglieder einer Gruppe können auch asynchron am selben Thema zusammenarbeiten.
  • Das Lernen wird idealerweise als relevanter erlebt, da die Ergebnisse nicht auf den schulischen Kontext beschränkt bleiben, sondern von einer Öffentlichkeit gelesen werden können.
  • Mit den Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Welt ist es einfach, ein ansprechendes Ergebnis zu erzielen, was motivierend wirkt.
  • Die Schüler erleben, dass das Internet eine hilfreiche Informationsquelle ist und sammeln Erfahrungen mit der Technik der Onlinerecherche. Mit zunehmendem Alter können sie auf dieser Grundlage auch angeleitet werden, wahre Fakten von „Fake News“ zu unterscheiden.
  • Die Präsentation kann auf vielen Endgeräten gleichzeitig erfolgen und individuell sowohl vom Interesse des Rezipienten als auch der Präferenz des Produzenten geleitet sein.

Herausforderungen:

  • Die größte Herausforderung liegt zunächst, besonders bei jüngeren Kindern, im Umgang mit den technischen Geräten sowie der Software (Backend von Blog und Wiki, Aufnahmeprogramme bei Podcasts, Prozess des Hochladens etc.)
  • Eine weitere technische Herausforderung liegt in den Anforderungen an die Internetanbindung der Schule. Im obigen Unterrichtsbeispiel etwa muss ein genügend leistungsfähiges WLAN gegeben sein, dass knapp 30 Endgeräte mit angemessener Geschwindigkeit im Internet surfen können.
  • Individuelles Arbeiten ist sehr anspruchsvoll und stellt hohe Anforderungen an den Lehrer als Moderator.
  • Ein hohes Maß an Vertrauen in die Schüler (und auf deren Seite an Vertrauenswürdigkeit) ist erforderlich, wenn diese einen Internetzugang nutzen.
  • Daher sollten in der Grundschule Kindersuchmaschinen genutzt werden, ansonsten in jedem Fall die Google-Suche auf jugendfreie Inhalte beschränkt werden.

Warum wähle ich ein Weblog und kein Wiki?

Obwohl mein Vorhaben sehr gut für ein Wiki geeignet wäre – es werden ja vor allem Informationen gesucht und gesammelt – entscheide ich mich für ein Blog, weil ich der Meinung bin, dass sich die Inhalte hier für die Rezipienten ansprechender aufbereiten lassen. Außerdem sind Blogs im Sinne der Suchmaschinenoptimierung (SEO) sehr effizient. Bei den Wikis, die ich kenne, hätte ich Sorge, dass die gesammelten Informationen letztlich in einem Wirrwarr von Links für immer begraben liegen und von niemandem je mehr gelesen werden würden. Aber ich habe zugegebenermaßen keinerlei Erfahrungen mit selbst erstellten Wikis – also belehrt mich bitte in den Kommentaren!

Eure Tigermama

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