Rezension: „Circus Pianissimo“ (Valenthin Engel)

21:54
Klavierschule Circus Pianissimo

„ungewöhnlich“, war das Erste, was ich mir beim Ansehen dieser Klavierschule dachte. und fast gleichzeitig eine Frage: „warum hat der Autor das so und nicht anders gemacht?“

um dieser Frage wenigstens ansatzweise auf die Spur zu kommen, zitiere ich aus dem Vorwort (S. 5), wie es Valenthin Engel sich gedacht hat mit seiner „Klavierschule für Kinder schon ab 4 Jahren“:

Klavierschule Circus Pianissimo„Ganz zu Beginn wird das Notensystem auf das Nötigste reduziert: So gibt es keine Notenschlüssel, sondern nur ein ‚R‘ für die rechte Hand und ein ‚L‘ für die linke Hand, ebenso fehlen Taktstriche und Taktartangaben, sowie alle weiteren musikalischen ‚Verwirrungen‘. Auch die Notenköpfe bestehen aus kleinen Bildern (Symbolen), deren Anfangsbuchstabe dem Notennamen entspricht. Für die richtige Zuordnung von Ton und Bild können die kleinen Symbole am Seitenrand ausgeschnitten und mit Klebestreifen auf der Tastatur befestigt werden. Alternativ kann auch die kleine Schablone am Anfang des Buches ausgeschnitten und zwischen den vorderen Rand des Klaviers oder Keyboards und der Tastatur eingeschoben werden. Die zweite Schablone wird zur Erleichterung beim Übergang zu den „richtigen“ Noten verwendet.“

„Nach und nach werden die Töne des Fünf-Finger-Bereichs […] vom Bassschlüssel-F bis zum Violinschlüssel-G erlernt. Die bis dahin schon erarbeiteten klavierspielerischen Fähigkeiten erleichtern dann die Einführung in die musikalische Zeichenwelt: Notenschlüssel, Notenschrift, Takt, Rhythmus und Dynamik. Die Erklärung neuer Begriffe ist absichtlich knapp und einfach gehalten, genauere Anweisungen und Erläuterungen sind dem Lehrer überlassen.“

damit man sich das Ganze ein bisschen vorstellen kann:

zunächst sind tatsächlich keine Taktstriche, Notenschlüssel oder sonstige musikalische Zeichen vorhanden. auf S. 30 (von 88) wird der Violinschlüssel eingeführt, auf S. 33 folgt der Bassschlüssel. ab S. 40 werden die Bildnoten nach und nach durch normale Notenköpfe ersetzt. Taktstriche und Taktangaben kommen ab S. 50 hinzu. auf S. 66 wird mit Angaben zur Dynamik begonnen. ganz zum Schluss folgen Fingersätze und der Bindebogen und damit sehen die Musikstückchen rechtzeitig zum Abschluss der Schule „ganz normal“ aus.

soweit: eine schöne Idee!

Bedenken habe ich in zweierlei Hinsicht:

erstens sind die gezeichneten Notenköpfchen mit einem anfänglichen Durchmesser von 4mm (ab S. 19 dann nur noch 3mm) recht klein und nicht ganz einfach zu erkennen. ich kann mir vorstellen, dass es beim Erlernen eines neuen Stücks ein ziemliches „Zusammengesuche“ gibt und von da aus weitgehend auswendig gespielt wird. obwohl ich rot-grün-blind bin, was bedeutet, dass einige Farben (grün-braun, blau-lila u.a.) für mich gleich aussehen, würde ich persönlich immer noch lieber nach Farben spielen. ausprobiert habe ich aber diese „Anlautbildchenmethode“ nicht und wenn sie denn funktioniert, ist es schon genial-praktisch, dass das „H“ zum Beispiel über „Huhn“, das „G“ über „Gesicht“ usw. gelernt wird.

zweitens werden ab S. 13 Sekunden und Terzen in einer Hand gleichzeitig angeschlagen und auf S. 19 gibt es sogar Stellen, wo die rechte und die linke Hand gleichzeitig je 3 Tasten drücken müssen. diese Mehrstimmigkeit ist offensichtliches ein wichtiges Prinzip des „Circus Pianissimo“ – aber wie sich das mit den kleinen Händen und der noch nicht ausgereiften Motorik von Vierjährigen vereinbaren lässt, ist mir ein Rätsel.

ich wäre hier sehr dankbar, wenn Klavierlehrer, die die Schule verwenden bzw. ausprobiert haben, ein Feedback über diese beiden Punkte – und gern über die Schule allgemein – hinterlassen könnten!


nun aber zu meinem Rezensionsschema, das wegen der sehr ausführlich geratenen „Einleitung“ etwas kürzer ausfallen wird:

1. Aufbau

2. Lehrtempo/Lerntempo

3. Auswahl der Stücke

4. Gestaltung

5. Fazit

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1. Aufbau

der Tonumfang des 1. Heftes umfasst für beide Hände jeweils den Fünftonraum, wobei die Daumen beide auf dem mittleren C (c‘) liegen. dadurch ergibt sich der für Anfänger gebräuchliche Umfang von f zu g‘. die linke Hand ist im Bassschlüssel notiert, die rechte im Violinschlüssel, auch wenn zunächst nur die Buchstaben „L“ und „R“ verwendet werden.

das erste kleine Stück („Autsch-Lied“) beschränkt sich auf die Töne C und D. danach wird schrittweise immer wieder ein Ton mehr eingeführt, wobei sich die Schule bis zur Seite 36 Zeit lässt, bis auch die kleinen Finger verwendet werden. zu diesem Zeitpunkt sind bereits auch das B und das Cis schon mal vorgekommen. rechte und linke Hand spielen bereits ab dem vierten Lied immer wieder ein paar Töne gleichzeitig. schön ist, dass es im Anhang Weihnachtsliedchen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden gibt. auf der letzten Seite kann ein „Circus Pianissimo-Diplom“ ausgestellt werden, das vom „Circus-Direktor“ unterschrieben wird. darüber hinaus verweise ich zum Thema „Aufbau“ auf die Einleitung, die hierauf ausführlich eingeht.

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2. Lehrtempo/Lerntempo

für eine Klavierschule für ganz kleine Kinder geht der „Circus Pianissimo“ relativ flott voran. besonders die bereits erwähnte Mehrstimmigkeit stellt m.E. sehr früh eine Herausforderung dar. zu Ende des Buches ist ein Niveau erreicht, für das sich manch andere moderne Klavierschule zwei Bände Zeit nimmt. allerdings ist die Schule mit 88 Seiten plus Anhang auch relativ umfangreich – und einen zweiten Band gibt es gar nicht.

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3. Auswahl der Stücke

die Auswahl der Stücke ist sehr gelungen. da es so viele sind, tue ich mir schwer, einzelne Beispiele zu nennen, aber es soll gesagt sein, dass es Kinderlieder in Hülle und Fülle gibt sowie englische Lieder, modern anmutende Rhythmus-Studien und Adaptionen aus der Klassik. das letzte Lied z.B. ist „Morgenstimmung“ aus der Peer Gynt Suite von Edvard Grieg. (hier kreuzt die linke zum Abschluss sogar noch ein paar Takte lang über die rechte Hand.).

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4. Gestaltung

leider findet man nette Bildchen, die doch so ein einfaches Mittel sind, kleinen Kindern das Lernen ein bisschen zu versüßen, nur auf den allerersten Seiten – vielleicht hat es der Autor ja ähnlich empfunden wie mancher Lehrer, dass solche sachfremden Elemente mehr ablenken als nutzen. dennoch wirken auch die anderen Seiten im Buch durch die Schriftauswahl und -größe und die übersichtliche Notation mit großen Abständen zwischen Noten und Notenzeilen kindgerecht und stimmig.

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5. Fazit

abgesehen von meinen oben genannten Zweifeln finde ich die Klavierschule ansprechend und vom Konzept her interessant. empfehlen würde ich sie Kindern, bei denen man bereits eine musikalische Begabung vermutet, oder Schülern, die deutlich älter sind als die vorgeschlagenen 4 Jahre. allerdings gibt es für Kinder ab 6 Jahren bei demselben Verlag bereits den „Circus Fortissimo“. wer eine gemütlich nach „Schema F“ vorgehende Schule sucht, der suche weiter, denn der „Circus Pianissimo“ entspricht diesem Schema nicht. doch für das „richtige Kind“ in Verbindung mit dem „richtigen Lehrer“ kann er eine tolle, abwechslungsreiche Schule mit vielen Möglichkeiten, Musik zu begegnen, sein.

ich danke dem Musikverlag „artist ahead“ aus Walldorf-Baden herzlich für die Zusendung des Heftes. mein dreijähriger Sohn macht derzeit seine ersten Versuche am Klavier mit den „Klavierzwergen“. vielleicht werde ich Ihre Methode mit ihm ausprobieren, wenn wir diese abgeschlossen haben. reizen würde es mich jetzt nach dem Schreiben dieser Rezension!

die musikalische Tigermama

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7  Kommentare zu “Rezension: „Circus Pianissimo“ (Valenthin Engel)

  1. hallo Klavierlehrer! wenn ihr Erfahrungen mit dieser Klavierschule habt, insbesondere bezüglich des Konzepts mit den Notenköpfchen und der Mehrstimmigkeit, bitte kommentiert hier, damit sich die Leser ein besseres Bild davon machen können. vielen Dank!

  2. Hallo zusammen!
    Ich habe mit meiner Tochter diese Schule gekauft als sie 5 war.
    Die in die Notenköpfe gezeichneten Bildchen ((Circus = C, Elefant = E usw) waren für sie gut und für mich nur mit Brille zu erkennen. Sowohl das Spielen nach diesen Symbolen als auch die Terzen und Akkorde zu greifen war kein Problem.
    Schwierig wurde es erst nachdem ich den Übergang zu normalen Notenköpfen kam, bzw. andere leichte Stücke die „normale“ Notenköpfe hatten dazu kamen.
    Ansonsten eigentlich gute Schule da relativ zügig auch die Zweihändigkeit einsetzt.

  3. ich freue mich über die Rückmeldung! bin immer noch am Überlegen, ob dies die Nachfolgeschule des „Kleinen“ werden soll. euch viel Spaß beim Klavierspielen!

  4. Hallo!
    Ich habe die Schule mit meiner 4 1/2 jährigen Tochter begonnen und ich bin schlichtweg begeistert. Sie spielt jetzt seit ca 2 Monaten.
    Die Notenbildchen zu erkennen waren überhaupt kein Problem, weder für meine Tochter noch für mich. Im Gegenteil, sie haben meine Tochter motiviert. Nach kurzer Zeit war sie sogar in der Lage, sich neue Stücke selbst anzueignen (zumindest die richtige Notenfolge). Ich persönlich finde dieses System gegenüber farbigen Noten viel besser, da die Notennamen schon mit der Note verbunden werden. So erkennt meine Tochter jetzt schon viele Noten auch ohne Bildchen, auch wenn wir noch nicht mit „normalen“ Noten spielen. Bei farbigen Noten muss man ja dann nochmal umlernen (so kenne ich das noch).
    Auch die Akkorde sind für sie kein Problem.
    Toll finde ich, dass in der Schule alles zunächst Unwichtige erstmal weggelassen wird, aber dann ganz nebenbei eingeführt wird. Meine Tochter nimmt das ganz toll an. Es geht so alles ganz zügig voran ohne zu überfordern.
    Außerdem ist der Einstieg über die vielen Kinderlieder perfekt. Meine Tochter singt immer aus Leibeskräften mit und das Vorwissen erleichtert den Zugang. Für uns die perfekte Klavierschule.

  5. vielen Dank! mein Kleiner lernt seit kurzem auch mit dieser Schule und bisher gefällt sie uns beiden sehr gut. viel Spaß euch weiterhin!

  6. Hallo!
    Meine Tochter hat diese Klavierschule gerade durch. Sie hatte keinerlei Probleme und hat die Noten wie von selbst gelernt. Beidhändiges spielen war kein Problem. Die vielen bekannten Kinderlieder haben sie sehr motiviert. Ich würde diese Schule auf jeden Fall wieder wählen!

  7. Super, also eine klare Empfehlung. Danke!

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